Stimme & Gender

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Stimme & Gender?

Gibt es „typische männliche“ oder „typisch weibliche“ Stimmen?
Was kann man auf die Biologie zurückführen, was auf soziale Einflüsse?
Wie wirkt sich die Geschlechtersozialisation auf unsere Stimme aus?

Der weibliche Kehlkopf ist kleiner, die Stimmlippen sind kürzer.  Durch den Stimmbruch in der Pubertät ist der männliche Kehlkof größer geworden und auch in seiner Form markanter: der sogenannte „Adamsapfel“ entsteht. Auch Frauen haben in der Pubertät einen Stimmbruch, dieser verändert die Stimme aber weniger stark als bei Männern.

Die Folge ist, dass die Stimmlage im Brustregister ca. eine Oktave höher als beim Mann. Diese Oktaven kann man aber leicht verwechseln.

Entscheidender für die Wahrnehmung „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ sind die Faktoren „hauchige / kratzige Stimme, laute /leise Stimme, volle /schlanke Stimme, enge/ weite Stimme und Sprechmelodie. Entscheidend ist also die Frage: nimmt eine Person Raum ein, passt sie sich an, ist sie empathisch, ist sie ängstlich, ist sie dominant oder kompromissbereit? Denn diese Faktoren drücken sich in der Stimme durch entsprechende Stimmklangparameter aus:
Frauen, die von einem „klassischen“ Weiblichkeitsbild geprägt sind, haben oft leisere (verhauchtere oder engere) Stimmen, sie sprechen oft höher, als ihnen gut täte und nutzen ihre physiologische Sprechstimmlage in der Bruststimme häufig nicht.
Das macht sie anfällig für Stimmstörungen, insbesondere dann, wenn sie eine laute Stimme benötigen.
Dieses Frauenbild hat sich aber zum Glück sehr gewandelt. Längst nicht mehr jede Frau redet zu leise, zu hoch und mit zu geringer Resonanz.  Frauen sprechen aber auch häufig mit mehr Stimmmelodie als Männer. Dies signalisiert dem Gegenüber, dass sie bereit sind, auf andere zuzugehen und dass sie mehr Gefühle in die Kommunikation investieren.

Männer, die vom „klassischen“ Männerbild geprägt sind, sprechen zwar häufig lauter, aber nicht immer unbedingt auch mit mehr Resonanz. Die Lautstärke geht auch oft einher mit einem höheren Atemdruck beim Sprechen, was eine kratzige Stimme bewirken kann, die dem Klang etwas herbes, „cooles“ verleiht. Diese kratzigen Stimmen können aber ebenfalls schnell zu Stimmstörungen führen, da die Stimme überlastet wird.

Mann-zu-Frau-Transsexuelle, die ihre Stimme anpassen möchten, haben es mit mehr zu tun, als nur mit der Verweiblichung ihrer Stimme. Durch die Größe des Kehlkopfes ist die physiologische Sprechstimmlage ca. 1 Oktave unter der angestrebten Sprechstimmlage der Frau. Durch verschiedene Operationsmethoden versuchen Chirurgen, diese Stimmhöhe anzupassen. Dies könnten Muskeln über eine entsprechende Stimmbehandlung genauso gut erreichen und zwar mit folgendem Vorteil: die Stimmhöhe ist bei einer logopädischen Behandlung noch variierbar. Sprechmelodie und Singfähigkeit bleiben -anders als bei einer der konventionellen Operationsmethoden – erhalten. Bei einer der Operationsmethoden entsteht außerdem in vielen Fällen eine Heiserkeit und eine Einschränkung der Atemkapazität.

Außerdem ist die Stimmhöhe alleine nicht entscheidend. Denn jeder weiß: ein Mann, der hoch spricht, wird als Mann, der hoch spricht, eingestuft, nicht als Frau. Wenn also eine Transsexuelle in der Kopfstimmlage spricht,  hört man eine Kopfstimme, keine Bruststimmlage der Frau. Das führt zu einem erstaunlichen Paradoxon: Mann-zu-Frau- Transsexuelle müssen zunächst lernen, ihre Stimme noch voller – wenn man so will „männlicher“ – werden zu lassen, so dass sie auch in der Kopfstimme voller klingt. Dann erst ist der Transfer in eine als weiblich akzeptierte Sprechstimme möglich. Diese Thematik wird in Operationsmethoden gar nicht berücksichtigt. Die einfache Stimmanhebung bewirkt nicht eine Veränderung des Stimmtimbres.